07.03.2017
E-Commerce gleich E-Commerce?
B2B vs B2C E-Commerce
Während im B2C-Bereich Online Shops für Hersteller und Händler mittlerweile Standard sind, fängt der B2B-Sektor gerade erst an das Thema ernsthaft wahrzunehmen. Warum der B2B-Sektor Online ganz anders funktioniert als B2C klären wir hier.
Online-Shopping ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Vom kleinen Händler hin zu den Dickschiffen wie Zalando, Amazon, Otto - im B2C-Sektor hat sich längst rumgesprochen, dass man ohne einen Online-Shop mindestens Geld auf der Straße liegen lässt, wenn nicht sogar sein Schicksal besiegelt.
Im B2B fangen wir gerade erst so richtig an dieses Verständnis zu wecken. Es wirkt aktuell vieles wie der B2C E-Commerce vor 10 Jahren. Viele Marktteilnehmer setzen erstmal irgendetwas auf. Oftmals halbherzig. Immer das Budget im Blick, entscheidet man sich dann für Standardlösungen aus dem B2C-Umfeld um „erstmal zu schauen wie das läuft“. Das ihr Sektor dabei völlig andere Voraussetzungen hat, dass vergessen die B2B-Unternehmen ganz schnell und wundern sich dann, dass der Webshop nicht so läuft wie gedacht.
Aber was sind denn nun diese unterschiedlichen Voraussetzungen?
GRUNDSÄTZLICHE UNTERSCHIEDE IM B2B / B2C E-COMMERCE
Zunächst einmal haben selbst große B2B-Händler meist einen viel kleineren Kundenstamm als ein breit aufgestellter B2C-Händler. Logisch, ein Fachhändler für Dachdeckerbedarf hat natürlich eine kleinere Zielgruppe als ein Online-Schuhhändler. Die Umsätze die der Händler für Dachdeckerbedarf aber an einem Kunden erwirtschaften kann, sind natürlich weitaus höher als bei unserem Schuhshop-Beispiel. Ein Dachdecker der mal eben 2000 Dachziegel bestellt, hat natürlich einen üppigeren Warenkorbwert.
Heißt also, der ARPU (Average Revenue per User) ist bei B2B > B2C. Und im Umkehrschluss lassen sich damit folgende simple Thesen aufstellen:
- Der Wert einer einzelnen Kundenakquise (CLV) im B2B ist deutlich höher als im B2C
- Der Verlust (Churn) eines Kunden wiegt im B2B deutlich schwerer als im B2C
Aber in die Marketing Economics dieses Themas steigen wir an dieser Stelle nicht tiefer ein und heben uns das für ein anderes Mal auf. Schauen wir uns lieber an welche Unterschiede tatsächlich in den Online-Shops eine Rolle spielen.
SPEZIELLE KONDITIONEN FÜR BESTELLER
Im B2B ist es gang und gäbe das Händler mit deinen Kunden viele Bedingungen der Geschäftsbeziehungen einzeln aushandeln. Je größer der potentielle Kunde, desto größer sein Verhandlungshebel. Im Einzelnen heißt das, dass Kunden individuelle Preislisten haben, einzeln verhandelte Zahlungsziele und Modalitäten, unterschiedliche Regelungen für Skonto oder Rabatte, spezielle Lieferbedingungen oder gar Verpackungsbedingungen. Im B2C gibt es diese Unterschiede auf Kundenebene nicht. Im B2B bedeutet das, dass im Prinzip jeder Kunde seinen eigenen Shop haben müsste, in dem seine eigenen verhandelten Konditionen abgebildet würden.
Eine Thematik die in einem B2B-Online-Shop über den Login des Kunden abgebildet würde. In einer Kundenstammdatenbank sind alle spezifischen Konditionen des Kunden hinterlegt und der Webshop ist smart genug um nun alle dieser Logiken für den einzelnen Kunden abbilden zu können.
KUNDEN BESTELLEN FÜR KUNDEN
Beispiel: Ein Hersteller beliefert ein Netzwerk an Händlern die seine und die Produkte anderer Hersteller vertreiben. Die Produkte des Herstellers sind individualisierbar und werden vom Endkunden beim Händler nach einer ausgiebigen Beratung bestellt. Der Händler bestellt nun also beim Hersteller ein spezifisch konfiguriertes Produkt für einen spezifischen Kunden. Der Händler möchte also schon im Bestellprozess angeben für welchen Kunden das entsprechende Produkt ist, damit später die Zuordnung leichter fällt sowie eventuelle Retourenprozesse.
Der Händler macht dies ggf. äußerst regelmäßig und möchte im Onlineshop einen Überblick über seine unterschiedlichen Bestellungen für seine Kunden haben. Im Prinzip hat der Händler im Onlineshop seine eigene Kundenkartei und Bestellverwaltung und er hat den Anspruch die Produkte die dann bei Ihm im Laden eintreffen problemlos zuordnen zu können, weil der Hersteller vom Händler gewünschte Merkmale bei der Lieferung mit aufgreift und abbildet. Dies könnten z.B. die Daten des Endkunden sein oder eine händlerspezifische Bestellnummer.
Je einfacher ein E-Commerce-System solche Prozesse für einen B2B-Kunden abbilden kann, desto besser. In einem Standard-Shopsystem gehören solche Funktionalitäten eher nicht zum regulären Funktionsumfang.
KOMPLEXE SCHNITTSTELLEN UND ANBINDUNG AN BESTANDSPROZESSE
Gerade im B2B-Sektor sind die Bestandsunternehmen oft schon seit Jahrzehnten am Markt. Dabei sind die Geschäftsprozesse sowie die verwendeten Software-Systeme nicht so schnell mitgewachsen wie man das hoffen würde. Gibt es ein funktionierendes System, gibt es oft wenig Grund dieses zu wechseln, denn Systemwechsel sind bekanntlich immer sehr teuer.
Nun, dies bedeutet, dass B2B E-Commerce-Systeme oft auf Systemlandschaften aufsetzen müssen, die bspw. noch aus den 2000er Jahren stammen. Der B2B-Händler passt seine ERP-Software, seine Produktinformationsverwaltung, sein CRM, seine Produktionsschnittstellen eher nicht an ein E-Commerce-System an, sondern erwartet, dass das E-Commerce-System mit seiner bestehenden Systemlandschaft reibungslos funktioniert. Hier steckt der Teufel im Detail und die Systemintegration ist absolute Expertenarbeit. Versuche das mal mit einem Woo Commerce umzusetzen ;) .
ANBINDUNG IN PRODUKTIONSPROZESSE
Wie schon im letzten Absatz angedeutet, sind Integrationen in Bestandslandschaften ein besonders heikles Thema. Dies wird nochmal expliziter, wenn der Online-Shop automatisiert in Produktionsabläufe eingreift. Im B2B-Sektor ist On-Demand Produktion keine Seltenheit. Hier dürfen bei der Produktkonfiguration und Datenübergabe in Produktionssoftware keine Fehler passieren. Ggf. müssen hier Logiktests abgebildet werden oder der Webshop muss mit Rückfragen aus der Produktion umgehen können.
Der Kunde soll möglicherweise auch darüber informiert in welchem Produktionsschritt sich seine Bestellung gerade befindet und wann er mit dem Produkt rechnen kann. Eine solche Integration sollte man entsprechend von Experten begleiten lassen.
KONFIGURATOREN
Hier gibt es zur Abwechslung mal eine klare Gemeinsamkeit von B2C- und B2B-Sektor. In beiden Sektoren erfreuen sich Produktkonfiguratoren großer Beliebtheit. Das macht natürlich auch Sinn. Je visueller und flexibler, desto besser. Das Problem: Konfiguratoren sind immer individuelle Entwicklungen. Ein Thema das klassische E-Commerce-Shopsysteme also grundsätzlich schon nicht out-of-the-box anbieten können.
SCHNELLBESTELLUNGEN
B2B-Kunden haben deutlich öfter gleiche bzw. sich wiederholende Warenkörbe als B2C-Kunden. Ein Fachhändler bestellt möglicherweise wöchentlich oder monatlich das gleiche oder ein nahezu gleiches Kontingent an Produkten für sein Lager. Diesem Fakt sollten B2C E-Commerce-Systeme Rechnung tragen indem sie solche wiederkehrenden Bestellungen dem Kunden so einfach wie möglich machen. Eine solche Monatsbestellung sollte im Kundenkonto also mit möglichst wenigen Klicks abbildbar sein. Es ist auch denkbar, automatische Bestellungen für den Kunden auszuführen, wenn bspw. dessen eigene Warenwirtschaft mit dem Online-Shop verknüpft ist.
Auch direkte Bestellungen über Artikelnummern, die eigene oder sogar die des Kunden, sowie Bestellungen über einen EAN-Scanner können zu den Features gehören, die Anspruchsvolle B2B-Kunden erwarten.
SERVICE
Zugegeben, Anspruch auf guten Service haben B2C- als auch B2B-Kunden. Der B2B-Kunde bedarf hier aber sicherlich einer etwas intensiveren Betreuung. Retourenmanagement, Rechnungen, Lieferscheine, Kommissionsnummern, Kundenstammverwaltung, etc. es gibt wahnsinnig viele unterschiedliche Themen, zu denen ein B2B-Kunde Hilfe benötigen könnte. Wünschenswert ist dafür, dass dem Kunden möglichst viele unterschiedliche Kontaktkanäle zur Verfügung gestellt werden. Nur E-Mail ist dabei eigentlich etwas zu wenig. Telefon, E-Mail, Live-Chat gehören zum Standard-Repertoire. Das Backend des B2B E-Commerce-Systems sollte dabei so aufgestellt sein, dass Service-Mitarbeiter schnell und unkompliziert unterschiedliche Anfragen von Kunden beantworten und bearbeiten können. Die Komplexität des B2B-Kunden sollte sich daher auch in diesem Service-Backend widerspiegeln.
KUNDENBINDUNG
Wie schon eingangs des Artikels erwähnt, hat ein einzelner B2B-Kunde einen erheblichen Wert für den Hersteller bzw. Händler. Dementsprechend ist es wichtig, Kunden möglichst lange und nachhaltig an das Unternehmen zu binden. Kundenbindungsprogramme sind im B2C bereits weit verbreitet. Punkte sammeln, Gutscheine bekommen, Freunde einladen, etc. das ist alles kein Neuland mehr. Im B2B hingegen werden auch diese Themen recht stiefmütterlich behandelt. Klar, dass der Händler für Dachdeckerbedarf plötzlich im Payback-Programm auftaucht ist natürlich unwahrscheinlich und wohl auch nicht zielführend. Dennoch können B2B-Händler mit individuellen Kundenbindungs- bzw. Incentiveprogrammen auch bei ihren Kunden punkten und langfristige Geschäftsbeziehungen fördern. Aber auch hier gilt, man sollte sich im Einzelfall anschauen, was Sinn ergibt, was man erreichen möchte und was für den Kunden attraktiv ist.
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